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Immer wenn Marian Flanders das Lager seiner Schöneberger Modeboutique betritt, blickt er seiner kürzlich verstorbenen Mutter ins Gesicht. An der Tür zum Lagerraum hängt die letzte gemeinsame Aufnahme der beiden: Mutter und Sohn im Licht der Abendsonne. Bei den meisten deutschsprachigen Gegenwartsautor:innen würde ein solcher Anblick vermutlich schnurstracks zu chaotischen Gefühlszuständen, wenn nicht gar in psychische Abgründe führen (die Tür zum Lager als Schlupfloch zum Unterbewusstsein etc.). Bei Leif Randt bleibt der Blick seiner Hauptfigur, ganz simpel, an der Oberfläche des Gesehenen hängen: «Der Fotodruck bestach durch kräftige, digitale Farben, und wenn Marian ihn lange genug anschaute, glaubte er nachfühlen zu können, wie sein Handy das Bild mit Abertausenden von Pixeln gemalt hatte, in einem Stil, der die Realität ein wenig überhöht darstellte, gerade so, wie Apple-User sie im Schnitt am liebsten sehen wollten.» Das gesamte Spektrum des Randt-Sounds, gebündelt in einem einzigen Satz.
Ein wenig überhöht, das heißt maximal nahbar und zugleich leicht irreal, wirken nicht nur Marian und seine Mutter auf dem Foto, sondern sämtliche Figuren in Let’s Talk About Feelings. Genau wie die dezent aufpolierte Welt, durch die sie sich bewegen – als läge über allem ein Filter, der es schafft, sowohl retro als auch futuristisch zu sein. Vom ersten Satz an umfängt uns dieses unverwechselbare Randt-Universum, so fresh, so da, als sei seit Allegro Pastell kein Tag vergangen.
Zur (wie später bemerkt: illegalen) Seebestattung auf dem Wannsee werden «gekühltes Mineralwasser in kleinen Glasflaschen, hellgrüne Apfelschnitze sowie lauwarme Salzbrezeln» gereicht. Marian spricht die vorbereitete Rede testweise in sein Handy und feilt an Text und Vortrag, unterstützt von seinem besten Freund, dem Werbetexter Piet («Wie würde der Sohn des verstorbenen Fotomodells auf dich wirken, wenn du ihn draußen auf dem Wannsee diese Sätze vorlesen hörtest?»). Dass es in Deutschland eigentlich verboten ist, Asche in Binnengewässern zu verstreuen, scheint keinen zu stören. Was möglicherweise auch daran liegt, dass das Boot Marians Vater gehört, einem ehemaligen Sprecher der ARD-Tagesthemen, der nun «selbstironische Monologe» auf TikTok verbreitet. Anscheinend verleihen ihm sein Geld und/oder seine Prominenz eine gewisse Immunität. So läuft alles, selbst das Ungeplante, erstaunlich reibungslos: «Die Reihenfolge der Kondolenzumarmungen war nicht festgelegt, aber sie fühlte sich doch zwingend an.»