Suhrkamp feb 2025 22 € 281 S.
2007 u. 2009
1. Unilateral Change
Vor ein paar Tagen wurde mir dieses alte Video in den Feed gespült. Komisch, feed: wie das Tiermehl, das man Kühen serviert, Kannibalismus wider Willen, BSE, spongiformer Verfall – das Ich als Schwamm. Der Feed passiert die Blut-Hirn-Schranke, filterlos, oder doch, es gibt Filter, aber die heißen Los Angeles, Paris, New York. Der Faschist und Tech-Unternehmer Peter Thiel jedenfalls, im Jahr 2010, bei der Konferenz «Libertopia» in San Diego:
«The basic idea was that we could not win an election on getting certain things because we were in such a small minority. But maybe we could actually unilaterally change the world without having to constantly convince people and beg people and plead with people who are never gonna agree with you through technological means. And this is where I think technology is this incredible alternative to politics.»
Dass es auch im liberalen Kapitalismus möglich ist, sich durchzusetzen, als Minderheit gegen eine Mehrheit, verhehlt Thiel hier gar nicht. Bloß sind die gesetzgebenden Institutionen dieses Systems durch Wahlen legitimiert, deren Agenten, die Staatsbürger also, es leider zu überzeugen gilt. Was aber, wenn die sich gar nicht überzeugen lassen? Wenn man nicht etwa die Enteignung eines Immobilienkonzerns verhindern will, sondern Millionen Wähler dazu bewegen, ihrer EIGENEN Enteignung zuzustimmen? 2009 bringt Thiel die Punchline: «I no longer believe freedom and democracy are compatible.» – ohne zu erläutern, von wessen Freiheit eigentlich die Rede ist.
Schon 2007 schreibt er den Aufsatz «The Straussian Moment» über den Philosophen Leo Strauss und die Krise des Westens seit 9/11, worin er, klar, einen Bogen schlägt von der Konservativen Revolution in Europa, über Carl Schmitt bis zu den Neocons und Protolibertären Amerikas. Nur das Coolste fehlt: der italienische Faschismus, ohne den nicht verstanden werden kann, was los ist bei Thiel. Der Staat als Firma, und sein sagenumwobener Souverän – der CEO, um es mit Curtis Yarvin zu sagen – auch nur ein weiterer Führer, der das Recht schützt, indem er es beugt – um der Freiheit willen, die kein Recht ist, sondern ein Privileg der Stärkeren, deren Feind die Schwachen sind.
Wie also lassen die sich bändigen? In seinem Buch Survival of the Richest entwickelt der Medientheoretiker Douglas Rushkoff die Idee des «Metagehens» (going meta).
Meta gehen, zum Beispiel: als Mark Zuckerberg mit seiner zu diesem Zweck umbenannten Firma begann, neben den Daten seiner User auch Dinge zu verkaufen, die noch gar nicht existierten – digitale Grundstücke etwa und Technologien rund um Virtual oder Augmented Reality, die er in dieser Platform bündeln will, irgendwann.