Die Märzrevolution von 1848 gilt in Deutschland als eine gescheiterte Revolution, und eine gescheiterte Revolution hat es nicht leicht, Sympathien für sich zu gewinnen. Europaweit fällt das Erinnern an sie im öffentlichen Raum sehr dürftig aus. In Wien gibt es den Achtundvierzigerplatz, der kaum mehr ist als eine trostlose Straßenkreuzung am Stadtrand. In Paris sind weniger als eine Handvoll Straßen und Metrostationen nach den zentralen Akteuren der Revolution benannt. Und in Berlin gedenkt der Platz der Märzrevolution der blutigen Revolutionstage – ein schmaler Streifen zwischen Humboldt-Universität und Gorki-Theater, 1998 offiziell so benannt als «noch zu gestaltender Platz» definiert.
Ein Hinweisschild sucht man vergebens, nur eine Statue von Heinrich Heine mit einer Barrikadenillustration auf der Rückseite weckt vage Assoziationen. «Eine Revolution ist ein Unglück, aber ein noch größeres Unglück ist eine verunglückte Revolution», schrieb Heine, der 1848 schon seit geraumer Zeit in Paris lebte und sich im Revolutionsjahr die Streichung seiner üppigen französischen Staatsrente gefallen lassen musste. Der radikale Republikaner konnte die Annahme von Zahlungen durch eine monarchische Regierung damit rechtfertigen, dass seine Werke im Deutschen Bund mit Publikationsverboten belegt waren. 1848 wurden diese allerdings aufgehoben: Zu den wenigen Erfolgen der Revolution zählt man, dass die Zensur mehr oder weniger abgeschafft und der Weg zu einer gesetzlich verankerten Pressefreiheit geebnet wurde.
Heines Schriften waren schon Jahre zuvor mit einem generellen Veröffentlichungsverbot durch die Frankfurter Bundesversammlung belegt worden, die sich trotz bereits geltender, scharfer Zensurbestimmungen vorgenommen hatte, noch konsequenter gegen Unruhestifter vorzugehen. Im Beschluss vom 10. Dezember 1835 hielt man fest, dass sich «in Deutschland in neuerer Zeit, und zuletzt unter der Benennung ‹das junge Deutschland› oder ‹die junge Literatur›, eine literarische Schule gebildet hat, deren Bemühungen unverholen dahin gehen, in belletristischen, für alle Classen von Lesern zugänglichen Schriften die christliche Religion auf die frechste Weise anzugreifen, die bestehenden socialen Verhältnisse herabzuwürdigen und alle Zucht und Sittlichkeit zu zerstören.»
Heine zählte sich selbst zwar nicht zu den Autoren des Jungen Deutschland, teilte aber mit diesen ohne Zweifel die Charakteristika der Angriffslust und Frechheit, mit der die Sprache «aller Classen», also auch der unteren, übernommen wurde, um wiederum «alle Classen», also auch die unteren, anzusprechen. Eine Literatur, die nicht nur Literaten, sondern die Gesamtbevölkerung adressierte, konnte schnell in den Verdacht geraten, die politisch weitgehend sprachlosen unteren Schichten gegen die Obrigkeit aufzuwiegeln. Und trotz ihrer paranoiden Grundverfassung lag die Obrigkeit gar nicht so daneben. Die neue Sprache der «Jungen» war Ausdruck einer bewussten Bewaffnung in jeder Hinsicht junger Schriftsteller und Publizisten, die sich die Möglichkeiten der rasant anwachsenden Massenpresse zu eigen machten, um der Staatsmaschinerie einen Guerillakrieg zu erklären. Einen Krieg, in dem scharf geschossen wurde, mit Ideen.