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Die blockierte Republik. Deutschland zwischen Vergangenheit und ZukunftFrank Trentmann
S. FischerSept. 2025 24 € 288 S.
German Burnout. Woher unsere Erschöpfung und Unzufriedenheit kommen und wie wir sie loswerdenThomas Bergner
Klett-CottaFeb. 2025 18 € 272 S.


Seelenfänger schleichen um den Block und Machen Geschäft mit der Hoffnung
—Trettmann

Manche Bücher bringen einen auf abwegige Gedanken. Etwa, dass Frank Trentmann besser Trendman hieße oder dass man nach der Lektüre seines neuen Buches einen Kurze-Sätze-Detox einlegen müsste, am besten mit Thomas Mann, weil einem sonst das Stilgefühl verhagelt wird. Außerdem schmerzt der Nacken vom Nicken und vom ungläubigen Steifbleiben: Das war’s jetzt, in echt? Auf jeden Fall braucht man etwas, das eine Blockade löst. Womit wir beim Thema wären.

Deutschland als Patient ist kein ganz neues Phänomen, als Gegenstand von Selbsthilfeliteratur indes schon. Trentmanns Die blockierte Republik und German Burnout von Dr. Thomas Bergner fallen nicht ganz in dasselbe Genre: Ersteres ist ein Traktat in der Tradition der großen Ruck-Reden, des Aufrechtstehens und Sich-ehrlich-Machens, also eigentlich eine Schrift aus dem Repertoire jener auf Wahlen angewiesenen Scheinselbstständigen, die man Politiker nennt (ah ah!); letzteres zielt auf eine Selbstheilung des Kollektivsubjekts Deutschland mit den Mitteln der individuellen Psychologie. Der aufs Cover gesetzte Doktortitel des Verfassers verstärkt die Esoterik dieser Herangehensweise eher, als dass er sie zurücknimmt. Bergner hat, dies sei vorausgeschickt, das interessantere Buch geschrieben, auch weil seine Sprache dazu einlädt, es psychoanalytisch gegen sich selbst zu wenden.

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Deutschland, ein Verteidigungsfall

Auf Trentmanns Cover hingegen prangt das Brandenburger Tor, aufgenommen aus dem Osten. Dahinter, im Westen, versinkt die Sonne und blitzt in der winzigen Lücke unter der Quadriga hindurch. Eingehegt zwischen Headline und Quadriga lautet der Untertitel «Deutschland zwischen Vergangenheit und Zukunft». Das legt nahe, im alten Westen eine versinkende, im Osten eine von Sonnenstrahlen verlassene Welt zu erkennen. In der Mitte steht dieser klassizistische Bau aus dem späten 18. Jahrhundert, der in der Formensprache der Antike eine glorreiche preußisch-deutsche Zukunft vorzeichnen sollte. Das Wahrzeichen verbindet nicht mehr, es versperrt. Was dort untergeht, scheint hier nicht mehr auf: Die vergangenen Zukunftserwartungen blockieren Deutschland.

Zu ihnen gehörte, dass dieses Land einig, mächtig und weiß sei, aber auch gerecht, seine Überlegenheit im beispielgebenden Erfolg seiner Wirtschaft zur Schau stellend, desgleichen im damit verbundenen sozialen Frieden und selbstverständlich in seiner geschichtlichen Läuterung. Ein Land, in dem sich die Tugend des Einzelnen in der Kollektivtugend abbildet, ja aus dieser erst ihre Legitimation erfährt; das in der Gegenwart nicht nur mithält, sondern ihre Rahmenbedingungen maßgeblich selbst hervorbringt.