Die HolländerinnenDorothee Elmiger
HanserAug 2025 €23 160 pp.
Aus der ZuckerfabrikDorothee Elmiger
HanserAug 2020 €23 272 pp.
SchlafgängerDorothee Elmiger
DumontMar 2014 €18 142 pp.
Einladung an die WaghalsigenDorothee Elmiger
DumontOct 2010 €16,95 144 pp.
Carrier Bag FictionSarah Shin & Mathias Zeiske (Hg.)
SpectorJun 2021 €10 96 pp.


Der Ort war aber
Die Wüste.
—Hölderlin, Der Einzige

Seit ihrem erfolgreichen Auftritt in Klagenfurt vor fünfzehn Jahren wird Dorothee Elmiger von der Kritik weitgehend überschwänglich für ihre innovativen Erzählformen gepriesen; bisweilen wird ihre Literatur aber auch als allzu bemüht, mit Zitaten und Anspielungen jonglierend und insgesamt etwas überintellektualisiert bemängelt. Einvernehmen herrscht über das hohe literarische Niveau ihres Projekts. Der deutsche Buchpreis 2025 für ihren Roman Die Holländerinnen rundet dieses Bild ab, und auch beim lesenden Publikum war sie schon länger erfolgreich.

Die bisherigen Veröffentlichungen Elmigers sind bis auf eine Ausnahme als Romane ausgezeichnet. Ihr Erzählprinzip folgt dabei keinem Muster von Anfang, Mitte und Ende, keinem sich nach und nach entfaltenden Konflikt, der glücklich oder katastrophisch aufgelöst wird. Sie stellen Wirklichkeitspartikel, Handlungsfragmente, Gedankensplitter, Zitate und Paraphrasen aus anderen Texten samt Quellenverzeichnis zusammen, fügen sich aber nicht zu einer Geschichte im herkömmlichen Sinn. Der äußere Grund für diese Schreibform ist, so sagt Elmiger selbst, dass auch die Zustände der Welt keine zusammenhängenden Geschichten bilden. Gleichwohl soll die Zusammenstellung nicht ganz beliebig sein: Das ist die Herausforderung dieser Schreib- und Denkform, die eine andere Haltung des Lesens, eine andere «Lust am Text» anregen will.

Ohne Karte im Gebiet

Die Orte von Elmigers Erzählungen sind geographisch nur vage zu lokalisieren und erhalten kaum räumliche Kontur; sie sind geradezu Unorte. In ihrem Debut Einladung an die Waghalsigen von 2010 ist es ein «verlassenes Gebiet» und «wüstes Land», das «Furcht und Schrecken» erzeugt. Es ist eine Gegend nach Art der postapokalyptischen Dystopien, das Umfeld eines aufgelassenen Bergwerks, in dem vor Zeiten ein Feuer ausgebrochen ist, das unter Tage noch schwelt. Wie in Eliots The Waste Land geht es um «die Stellung des modernen Menschen zu seiner Vergangenheit», zu der die Verbindung abgebrochen ist. Das «Gebiet» ist «der Himmelsrichtungen längst verlustig gegangen»; man orientiert sich an den noch stehenden Fördertürmen und anderen Elementen der Gegend.

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Die Ich-Erzählerin und ihre Schwester lesen wahllos in Büchern, vor allem Sachtexten, und finden zufällige Beziehungen zwischen den heterogenen Inhalten. Sie erkunden das «Gebiet», das ihre Lebenswirklichkeit ist, und überziehen es zugleich mit Elementen ihrer Lektüren. Der Bericht der Erzählerin kann «womöglich eine Verbindlichkeit schaffen»; die zufälligen Funde und Korrespondenzen sollen dabei helfen. Sie setzen die Schwestern auf die Spur eines Flusses, den Buenaventura, von dem sie in einem Buch über Florida gelesen haben und den sie in ihrem «Gebiet» zu finden hoffen. Der Fluss, traditionell ein Symbol für Zeit, changiert zwischen Wirklichkeit und Vorstellung und soll den Frauen namensmagisch – «Buenaventura» bedeutet «gutes Geschick» – die Zukunft eröffnen.