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Our Dollar, Your Problem. Aufstieg und Fall des Dollars und was seine Instabilität für uns und die globalen Finanzmärkte bedeutetKenneth Rogoffübers. v. Petra Pyka
FinanzBuch VerlagOkt. 2025 25,00 € 368 S.

Der US-Dollar hat ein wildes halbes Jahr hinter sich. Seit Donald Trumps Amtsantritt hat er gegenüber einem gemittelten Währungskorb zehn Prozent verloren und pendelt Ende August 2025 um die 0,85 Euro. Dieser Kursverlust verdeckt die Schwankungen, die mit jeder politischen Entscheidung Trumps einhergingen: Seine Ankündigung willkürlicher Zölle im April ließ den Dollar abstürzen, mit dem Angriff auf den Iran im Juni erholte sich der Dollar wieder, nur um wenige Tage später mit Trumps unerbittlicher Kampagne gegen den Vorsitzenden der Federal Reserve, Jay Powell, auf ein Dreijahres-Tief zu sinken. Die Handelsabkommen im Juli verhalfen dem Dollar zu einer Erholung um etwa zwei Prozent, aber mit der Nominierung von Stephen Miran, einem Verbündeten Trumps, für den Gouverneursrat der Fed, und mit Trumps Versuch, die Fed-Gouverneurin Lisa Cook zu feuern – der Fall könnte bis vor den Supreme Court getragen werden – ist klar, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank, ein Eckpfeiler der heutigen Währungsordnung, zur Disposition steht.

Meine Welt ist die Welt

Bei solchen Turbulenzen könnte es doch sinnvoll sein, sich ein wenig vom Nachrichtenzyklus zu lösen und ein Buch zu lesen, das die Ursachen der aktuellen Probleme analysiert, ja vielleicht sogar einige Lösungen aufzeigt. Ein Kandidat dafür wäre Our Dollar, Your Problem: An Insider’s View on Seven Turbulent Decades of Global Finance, and the Road Ahead des Ökonomen Kenneth Rogoff. Rogoff ist Professor für Wirtschaftswissenschaften und hat seine Karriere an den renommiertesten Universitäten der Vereinigten Staaten verbracht. Von 2001 bis 2003 war er Chefökonom des Internationalen Währungsfonds und hat Regierungen auf der ganzen Welt beraten. Sein Buch stützt sich auf mehr als fünf Jahrzehnte akademischer und politischer Arbeit zu Staatsschulden und Wechselkurssystemen sowie zu der Frage, wie deren Volatilität zu Finanzkrisen beitragen kann. In Europa ist Rogoff wahrscheinlich am bekanntesten für sein zusammen mit Carmen M. Reinhart geschriebenes Buch This Time Is Different: Eight Centuries of Financial Folly, das 2009 nach dem ersten Abklingen der globalen Finanzkrise erschien.

Leider handelt Our Dollar, Your Problem trotz seines Untertitels nicht wirklich von Geldpolitik, Dollardominanz oder dem globalen Finanzsystem. Stattdessen ist es ein Buch darüber, wie Kenneth Rogoff die Welt sieht. Und das ist ungefähr so: Rogoff glaubt nicht, dass die Position des Dollars an der Spitze der globalen Währungshierarchie in Stein gemeißelt ist. Die Herausforderer, die es immer gab – die Sowjetunion, Japan, die Eurozone – hätten allerdings nie die wirtschaftliche oder militärische Stärke besessen, um dem Dollar wirklich gefährlich zu werden. Ebenso könne China den Dollar in naher Zukunft angreifen. Rogoff bestreitet gar nicht, dass China militärische Macht aufbaut und auf ein jahrzehntelanges, phänomenales Wachstum zurückschaut. Aber er führt die bekannten Gründe an, warum China die Dollardominanz dann doch nicht durchbrechen werde: die kontrollierte Floating-Politik des Renminbi gegenüber dem Dollar, das schwächelnde gegenwärtige Wachstum und die mangelnde internationale Öffnung der chinesischen Wirtschaft.

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Aber man soll sich nicht zu früh freuen, mahnt Rogoff, die wahre Bedrohung für den Dollar komme von innen. Die US-amerikanische Staatsverschuldung steigt seit Jahrzehnten; bei über 120 Prozent des BIP sieht er sie nahe am Kontrollverlust. Auf niedrige Zinsen könne man sich nicht mehr verlassen, weil seit 2021 die Inflation zurückgekommen ist. Um sie zu bekämpfen, muss die Fed die Zinsen erhöhen, was den Schuldendienst der Regierung weiter erschwert. Sollte die Fed nun versuchen, die Zinsbelastung der Regierung zu begrenzen und auf Zinserhöhungen zu verzichten, dann würde sie der Inflation freien Lauf lassen – und die Gläubiger blieben auf ihren Verlusten sitzen. Für die Regierung erscheint es natürlich erstmal reizvoll, wenn sie ihre nominalen Schulden durch Inflation mindern kann. Aber der Wert der Rückzahlungen sinkt: Wenn die US-Regierung ihre Finanzen nicht in Ordnung bringt, schreibt Rogoff, könnte das Land auf eine weitere Finanzkrise zulaufen. Zwar sei unklar, wann es so weit wäre. Aber der bloße Verdacht, dass US-Staatsanleihen als wichtigster Anker der Weltreservewährung nicht mehr sicher sein könnten, sei schädlich genug.

Ökonomik der Beschwichtigung

Wer sich für Wirtschaft interessiert und regelmäßig Nachrichten liest, kennt Rogoffs Argumente natürlich schon und kennt vielleicht auch die Gegenargumente: Chinas Wirtschaftsmodell ist besser als Rogoff behaupte; die Inflation war eine bloß vorübergehende Konsequenz der Covid-Pandemie; die Zinsen werden wieder sinken und niedrig bleiben; Japans Staatsverschuldung liegt bei über 200 Prozent des BIP und das Land funktioniert trotzdem. In ihrer Vorhersehbarkeit haben diese Debatten etwas Beschwichtigendes. Sie bauen darauf, dass die Welt und die Weltwirtschaft, wie wir sie aus den vergangenen Jahrzehnten kannten, ewig fortbestehen werden. Es ist dies ein Wirtschaftssystem, von dem man annimmt, dass es gemessen, vorausberechnet und von vernünftigen Regierungen und unabhängigen Zentralbanken gezielt gesteuert werden kann. In dieser Welt besteht die einzige wirkliche Meinungsverschiedenheit darin, wie die Daten zu interpretieren seien: hawkish oder dovish, bearish oder bullish, short oder long. Würde Trump nur seine politischen Spielchen sein lassen und die Entscheider sich wieder auf Wachstum, Währungsstabilität und offene Märkte konzentrieren; die Unsicherheit und das Chaos, die Trumps zweite Amtszeit mit sich bringen, sie wären verflogen. Sicher, die Dominanz des Dollars hätte ein paar Kratzer bekommen, aber insgesamt wären wir wieder in Rogoffs heiler Wirtschaftswelt angekommen. Das Problem: All das stimmt einfach nicht.

01.09.2025