Manchmal denke ich an den Februar 2020 zurück, diese kurze Phase, in der wir – naja, manche von uns – dachten, dass in den USA tatsächlich ein Wandel möglich sei. Es war ein seltsames Gefühl. Ist mir davor und danach nie wieder passiert.
Donald Trump war damals drei Jahre im Amt, die Pandemie stand kurz bevor, insgesamt also eher eine triste Zeit, doch am 3., 11. und 22. Februar fanden in Iowa, New Hampshire und Nevada die ersten Vorwahlen der Demokratischen Partei statt, und nach diesen drei Terminen lag plötzlich Bernie Sanders vorne, der parteilose Senator aus Vermont und einzige wirklich linke Kandidat im Rennen, den wir alle – naja, manche von uns – liebten.
Wobei das Wort «plötzlich» die Dinge verklärt. Sanders, seit 1991 auch national im Auftrag des demokratischen Sozialismus unterwegs, kam nicht aus dem Nichts. Er war Ausdruck verschiedener Bewegungen, die sich in den Jahren zuvor formiert hatten, von Occupy Wall Street über Black Lives Matter bis hin zu manchen militanten Gewerkschaftskämpfen. Er repräsentierte das Selbstbewusstsein einer neuen linken Generation. Die Leute spürten, dass da jemand freier und wütender über die Zustände sprechen kann, weil er glaubt, was er sagt. Sanders’ Veranstaltungen, zu denen zum Teil zehntausende Menschen strömten, waren von einer solidarischen Atmosphäre geprägt, wie es sie selten in der Politik gibt.
Mir bleibt insbesondere ein Gespräch in Erinnerung, das ich mit meinem Freund Anand in der letzten Februarwoche führte. Anand ist ebenfalls Journalist, darüber hinaus seit knapp 20 Jahren in sozialistischen Organisationen aktiv, er hat einen Doktortitel in Soziologie, spielt sehr solide Basketball, und als wäre das der Multibegabung und Vielbeschäftigung nicht genug, war er als außenpolitischer Berater in Sanders’ Kampagne für 2020 aktiv. Als ich ihn bei einem Drink fragte, was er nun, nach den Überraschungserfolgen in New Hampshire und Nevada, denke, sagte er mit einem Lächeln, das man vorauseilend melancholisch nennen könnte: «It’s too good to be true.»
Zu schön, um wahr zu sein, der Satz sollte sich einlösen. Nachdem das Establishment der Partei die Gefahr durch Sanders realisiert hatte, klaubte es alle Ressourcen zusammen, um seinen Sieg zu verhindern. Ex-Präsident Barack Obama schaltete sich ein und brachte die anderen Wettbewerber dazu, sich aus dem Rennen zu ziehen und die Kandidatur Joe Bidens zu unterstützen. Anfang April gab Sanders auf, nachdem er anerkennen musste, dass nicht nur die Führungsriege der Democrats Biden bevorzugte, sondern auch die Parteibasis. Sanders bekam bei den Vorwahlen knapp zehn Millionen Stimmen, Biden doppelt so viele. Manche liebten Sanders, aber längst nicht alle.
«Wir sollten daran denken, dass im Recht sein nicht reicht, um zu gewinnen», schrieb der Autor Sam Adler-Bell damals in einem Essay, das den schönen Titel Beautiful Losers trug. Sein Appell war es, sich nicht in «linker Melancholie» zu vergraben, wie so oft nach Niederlagen, sondern die eigenen Ansätze zu überdenken, sich neuen Strategien und Verbündeten zu öffnen. Was müsste passieren, fragte Adler-Bell, damit die Linke nicht immer nur «tugendhaft verliert», sondern endlich mal gewinnt?
Die Frage nach einem linken Durchbruch hat im Winter 2024 etwas Anachronistisches, das gebe ich zu. Hinter den USA liegt ein ernüchternder Wahlkampf zwischen einem Rechtsradikalen und einer Zentristin, in dem linke Ideen kaum eine Rolle gespielt haben – und vor uns liegen vier Jahre Trump. Vielleicht aber ist es gerade diese desolate Situation, Teil auch einer globalen Faschisierung, die eine grundsätzlichere Hinterfragung auf «unserer Seite» erfordert. Ich denke an den Februar 2020 nicht nur zurück, weil sich damals der Drang vieler Menschen nach Wandel zeigte und ich an diesem Potential festhalten möchte, sondern auch, weil ich mich heute umso mehr frage, warum tatsächlich progressive Positionen und Programme immer wieder scheitern. Wenn Trumps erneuter Wahlsieg eine positive Wirkung haben könnte, dann ist es vielleicht eine Klarheit darüber, welche linke Politik funktionieren könnte und welche auf keinen Fall.