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Mit der Online-No. 8 erscheint auch unsere zweite Druckausgabe. Besser geworden ist wenig in diesem Jahr der Unnachgiebigkeit. Warum es so schwierig geworden ist, über Geschichte und Erinnerung zu sprechen, und wie uns das an der Gegenwart scheitern lässt. Ein Editorial zu unserem zweiten Reader.
Essay
«Von Anfang an war der jugoslawische Krieg ein Krieg um Erinnerung. Bevor 1991 die ersten Schüsse fielen, gingen Geschichtsbilder und Zahlen aufeinander los, rissen das rote Sternenbanner in Stücke, deuteten neue Gräueltaten an, die aus den alten erwuchsen.»
Memo
Wie mittelmäßig darf, soll, muss ein Universitätspräsident sein? Geht es nach dem Mann, der ausgerechnet einer Universität der Künste die Kunst austreiben will, nicht mittelmäßig genug. Ein Bericht und eine Meditation – über einen, der einschüchtert, weil er sich selber hat einschüchtern lassen.
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Ist Insomnia der tragische Ursprung umwerfender Kunst? Die ganze Kulturgeschichte scheint das beweisen zu wollen, aber die Fotografien von Rebekka Deubner und ein brasilianisches Verb erzählen eine andere Geschichte: Wie man aus der Welt fällt, ohne sie zu verlassen; kentert, ohne zu sinken.
Essay
«Nobody who really thinks about history can take politics altogether seriously», schrieb Susan Sontag. Auch nach Trumps zweitem Triumph kann man Politik nicht mehr ernst nehmen, und muss es doch umso mehr. Höchste Zeit für linke Überlebende, an eine unterschätzte Taktik anzuknüpfen: Organizing.
Essay
«I want you to panic!», forderte Greta Thunberg 2019, doch obwohl sich die Umweltkatastrophen häufen, bleibt die Angst weitgehend aus. Stattdessen entwickelt sich im globalen Norden eine Halbdistanz zum Klimanotstand, die mit einem anderen Begriff der Psychoanalyse besser beschrieben ist.
Review +fr
Kamel Daoud, Gewinner des Prix Goncourt 2024, gilt in Frankreich als maßgebliche Stimme des intellektuellen Algerien und Experte für koloniale Vergangenheit, Islamismus und Einwanderung. Sein Roman Houris behandelt den algerischen Bürgerkrieg der 1990er – und lässt einige historische Lücken.
Memo +ar+en
«Was für eine absolut niederschmetternde Situation: In all den Jahren, in denen ich mir diese Bücher nach und nach angeschafft hatte, wäre es mir nie in den Sinn gekommen, dass ich einmal zwischen ihnen und Brot für meine Kinder würde wählen müssen.»
Review
Neue Bücher von Enis Maci mit Pascal Richmann, von Philipp Simon und Bettina Balàka durchleuchten das toxische Verhältnis von Mensch und Natur. Die war immer auch menschengemacht, klar – neuere emergente Phänomene lassen aber zweifeln, ob Menschen wirklich die Masterintelligenzen des Planeten sind.
Essay
Nach Jahrhunderten der Enttäuschung, scherzte Octavio Paz im Ernst, glaube man in Mexiko nur noch an die Lotería und die Jungfrau von Guadalupe. Anstatt weiterhin Worthülsen anzubeten, sollte die Kulturwissenschaft Phänomene wie ihre Verehrung als historisch-poetische Universalien erforschen.
Review +it
Mit 97 überlebt Leni Riefenstahl einen Hubschrauberabsturz im Sudan – eine weitere Survivor-Story in ihrem an Heldengeschichten reichen Leben. In Andreas Veiels Doku Riefenstahl sind es nicht die kleinen Fehler, die R.s Lebenslügen aufdecken. Es ist die archivarische Sammelwut der Autorin selbst.
Review
Schon vor 1900 lieferte Mannesmann Pipelines nach Sibirien. Was für die BRD zu lukrativen Energieimporten führte, hat in Russland kolonialistische Auswirkungen bis heute. Matteo Sciannas Sonderzug nach Moskau erzählt die deutsch-russische Energiesymbiose, übersieht aber ihren kolonialen Aspekt.
Review +en
Für viele ist Judith Butler – in Nachfolge Hannah Arendts – zur «passioniertesten säkularen jüdischen Kritikerin des Zionismus» im 21. Jahrhundert geworden. Wer Butlers Schriften über Israel und Palästina ernst nimmt, erkennt ein Denken der Gewaltlosigkeit, das beide Konfliktparteien herausfordert.
Memo +en
«Erlauben Sie mir noch diese Analogie: Anders als Charon, der die Seelen mit einem Boot über den Fluss Lethe ins Reich der Toten übersetzt, übersetzt oder bringt das Schreiben in umgekehrter Richtung die Seelen der Toten ins Reich der lebenden Lesenden zurück.»
Memo +pt
«Die ‹echte Gefahr› geht von Raketen aus, heißt es, und hier kommt die Zwei-Wände-Regel zum Tragen: Immer zwei Wände müssen es sein, die einen vom Einschlagsort trennen. Das erklärt, warum die Menschen in den Gängen auf Entwarnung warten. Für den Weg bis in den Bunker kommen die Raketen zu schnell.»
Review +en
Der Konsens ist gewaltig: Rachel Cusk und Sally Rooney sind nicht irgendwelche Autorinnen, sie haben Maßstäbe definiert, an denen man sie fortan misst. Es war nur eine Frage der Zeit, bis eifrige Rezensenten am Sockel rütteln, auf den sie die beiden einst setzten.