Mars, der tote Planet. Vor vier Milliarden Jahren brach sein Magnetfeld zusammen und lieferte ihn schutzlos den Winden der Sonne und den Strahlen des Alls aus, die Schicht um Schicht seine reichhaltige Atmosphäre und alles Leben, was sie beherbergt haben mag, zerstörte. Seine Flüsse sind ausgetrocknet, seine Vulkane erloschen. Was als Luft noch bleibt, ist so dünn, dass Blut sofort siedet, so kalt, dass Vodka sofort gefriert und so schwach, dass sie keinen Schall mehr leiten kann. So still ist es auf dem Mars, dass man in Houston dachte, dem Rover seien die Mikrofone ausgefallen. Es gibt auf dem Mars auch kaum etwas, das Schall erzeugen könnte – mit Ausnahme der atektonischen Erdbeben, der Geysire aus gefrorenem Kohlenstoff und der Sandstürme, die den ganzen Planeten einnebeln.
Wobei Sand eine irreführende Bezeichnung ist. Das Regolith, das den Mars bedeckt, ist der Staub aus pulverisierten Meteoriten – fein wie Talkumpuder, kratzig wie Schleifpapier, toxisch wie Batteriesäure. Aufgrund seiner elektrostatischen Ladung dringt es in jede Ritze und verklebt jede Oberfläche. «Bad news for human lungs», wie es ein NASA-Wissenschaftler ausdrückt, und bad news für jede Art von Maschine, der dieser kosmische Feinstaub sofort ins Getriebe weht.
Die von SpaceX präsentierten Kolonisationspläne für den Mars sehen vor, dass Menschen dort in kuppelförmigen Gebäuden leben, mit Eingängen wie Waschstraßen gegen den Staub und mit einer Verschalung wie Atomkraftwerke gegen die radioaktive Tiefenstrahlung aus dem All. Im aseptischen Inneren äßen sie Dosenfleisch und zögen in mit Raketen angelieferter Blumenerde Rüben und Kartoffeln. Am matschbraunen Himmel sähen sie zwei missgestaltete Monde und die Sonne klein wie eine Stecknadel. Die geringe Schwerkraft ließe ihre Schritte hüpfen und ihre Muskeln verkümmern; kein Schutzanzug der Welt könnte sie davor bewahren, dass ihre Chance auf einen malignen Tumor mit jedem Jahr signifikant wächst.
Diejenigen, die durchhielten und mit deren Hilfe – vielleicht, irgendwann – aus der ersten Kuppel ein kleines Dorf würde, müssten in der zweiten Phase der Kolonisierung ebendieses Dorf wieder verlassen. Sie würden vom Planeten evakuiert und könnten aus dem All dabei zusehen, wie der Mars und alles, was sie dort unter bittersten Bedingungen aufgebaut hätten, mit tausenden Nuklearsprengköpfen beschossen würde, in der aus unzähligen Unbekannten abgeleiteten Hoffnung, aus dem aufgewirbelten Gift-«Sand» könne sich eine dichtere Atmosphäre bilden.
Als wie qualvoll muss jemand das Leben auf der Erde empfinden, dass er das als Alternative vorzieht?
Die App frisst ihre Kinder
«This app has fucked my psyche in ways I’ll never even know but goddamn I’m having the time of my life rn,» – «I have laughed more in the last couple of hours than in the last couple of years.» – «I can’t believe I have to go to work rn, I just wanna read twitter til I pass out.» Es war ein großer Tag auf X, der Everything App, der größte vielleicht, größer noch als der Tag, an dem Baby-Hippo Moo Deng seinem Zoowärter in die Wade biss. Der Big Beautiful Breakup zwischen Donald Trump und der nerdigen Eminenz hinter seinem Bürostuhl war eingetreten, und er war genauso messy wie prophezeit. Der Traffic schoss in die Stratosphäre. Scharen von Usern kamen von Bluesky zurück, um live am Geschehen beteiligt zu sein. Wer auch immer den geheimen Auftrag hatte, Elon Musk das Handy wegzunehmen, war – mal wieder – gescheitert.
Wie denn auch sonst: Elon Musk hatte früher schon Safes aufgebrochen, Alter-Egos erfunden und die ganze Plattform gekauft, um noch mehr Leute mit noch mehr Tweets terrorisieren zu können. Der Mann mit dem doppelten Hitlergruß, der die letzten vier Monate damit verbracht hat, nicht nur den amerikanischen Staatsapparat und die Überlebenschancen von Millionen hilfsbedürftiger Kinder zu zerstören, sondern auch seine Firmen und seinen Ruf, war nach seinem Abgang aus Washington D.C. plötzlich wieder Herr des Geschehens.
Showdown der beiden Größten Twitter-Twats aller Zeiten, denen erst die App die Psyche gefickt hatte und die dann mit der App unsere Psyche gefickt hatten (und am Ende die ganze Welt). Republikanische Medienfratzen überboten sich mit den absurdesten Coping-Strategien. Verunsicherte MAGA-Wähler sandten Stoßgebete zur Versöhnung. Der Bodensatz an verkorksten Verschwörungstheoretikern ging sich gegenseitig an die Gurgel. Kritische Geister erklärten das Ganze zu einem Ablenkungsmanöver und wurden dafür von noch kritischeren Geistern durch den Kakao gezogen. Und die große, johlende, blutrünstige Menge schiss die Plattform mit Satire zu wie ein Möwenschwarm auf Meth.
Satire hat ihre Funktion als Aufklärung und Kritik ja schon lange verloren, und ist jetzt irgendwo zwischen Hellseherei und Emotional Support gelandet. Um Nietzsche zu zitieren: «Es ist das Lachen der Sklaven beim Saturnalienfeste.» Musk gehörte der erste Sieg bei diesen Spielen. Unter dem Gewicht des Traffics brachen die Server von Trumps Konkurrenzplattform zusammen. Die Fehlermeldung lautete: No Truths. Am Tag darauf ließ Trump Los Angeles anzünden.