13. März, 2025



Ihr Lieben,

wenn ich die deutschsprachigen Tageszeitungen durchklicke, habe ich den Eindruck, die amerikanische Politik ist bei euch omnipräsent. Trotzdem: Was folgt, sind meine bescheidenen Neuigkeiten aus St. Louis. Nicht, weil ich denke, dass alles, was hier passiert, nicht ohnehin permanent Gegenstand eurer Gespräche wäre, vielleicht auch zu viel, gemessen an der sonstigen Weltlage. Nun bin ich aber gerade hier, und alles passiert so schnell, dass ich es aufschreiben muss.

Die Washington University, an der ich unterrichte, ist eine private Uni in ziemlich privilegierter Lage, die Studierenden sind in der Mehrzahl weiß und am Language Department kommen viele aus Europa. Gemessen daran, dass Trump gerade mit den Universitäten im ganzen Land (und zuvorderst den Ivy-League-Unis) einen Ringkampf ausgerufen hat, erscheinen mir die Gespräche der Studierenden, denen ich in der Mensa, im Gym oder in der Campus-Sauna zuhöre, erstaunlich präpolitisch. Einen einzigen Protest gegen die Defundings habe ich bisher mitbekommen, er bestand aus etwa 30 Mitarbeiterinnen der verschiedenen Fakultäten, die versteinert und resigniert lustlose Transparente in die Luft hielten. Noch scheint mir die kritische Masse, und das heißt besonders die Studierenden der Geistes- und Sozialwissenschaften, nicht aktiviert. Vielleicht liegt es daran, dass die angekündigten Kürzungen besonders die medizinischen und naturwissenschaftlichen Bereiche betreffen, also jene Bereiche, die für gewöhnlich sehr hohe staatliche Zuschüsse bekommen, deren Forschung aber auch viel teurer ist (und mitunter, wie etwa in der Krebsforschung, über Leben und Tod entscheiden kann).

In New York mag das gerade anders sein – oder auch nicht. In der New York Times lese ich, dass die Dozierenden der Columbia-Journalismus-Schule in einer Art Krisensitzung den Studierenden geraten haben, vorerst keine heiklen Themen anzufassen und besonders Gaza/Israel auszulassen. Man könne sie jetzt nicht mehr schützen. Sie beziehen sich dabei besonders auf den Fall eines Palästinensers, der in ein Detention Camp gebracht wurde, und also ausgewiesen werden wird, mutmaßlich, weil er sehr aktiv in einen Gazaprotest auf einem New Yorker Campus eingebunden war.

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Vielleicht sind die Proteste hier in St. Louis auch bisher unterausgebildet, weil die Stadtbevölkerung von anderen Sorgen geplagt wird. Jeder Uber-Fahrer, mit dem ich bisher sprach, hatte mindestens zwei Jobs und wohnt am Rand der Stadt. Die Preise in den Supermärkten sind horrend. Milch kostet sechs Dollar, ein O-Saft acht, eine Packung Eier bis zu zehn oder zwölf Dollar. Wie es sich in dieser Stadt leben lässt, wenn nicht mindestens einer in der Familie sehr gut verdient, ist mir ein Rätsel.