Goodbye JuliaMohamed Kordofani
120 Min.  25. 10. 2023

Einmal in Mohamed Kordofanis Goodbye Julia erklärt die im Südsudan geborene Titelfigur des Films (gespielt von Siran Riak), dass sie nicht in ihre Herkunftsregion zurückkehren will. Julia hegt Zweifel, dass der Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd wirklich beendet ist. «In unserem Land hört der Krieg niemals auf. Schon morgen fängt er wieder an.» Tatsächlich brach der Krieg wieder aus, diesmal in der Republik (Nord-)Sudan, während Goodbye Julia im Frühjahr 2023 bei den Filmfestspielen in Cannes Premiere feierte. Das Ereignis verlieh dem Film, der auf den ersten aller sudanesischen Bürgerkriege zurückschaut, eine besondere Dringlichkeit.

Kordofani, der auch das Drehbuch geschrieben hat, nähert sich dem Thema über die Darstellung des Alltagslebens zweier Frauen in Khartum: Mona (Eiman Yousef), eine Hausfrau aus dem Nordsudan, und Julia, eine junge Südsudanesin, die als Kind in die Hauptstadt vertrieben wurde. Die Geschichte beginnt 2005, kurz nach der Unterzeichnung des «Umfassenden Friedensabkommens» zwischen dem nordsudanesischen Regime von Omar al-Bashir und Vertretern der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung bzw. -armee (SPLM/A), die für die Befreiung des Südens kämpften.

Das Friedensabkommen war ein wichtiger Schritt nach vorn, beendete den jahrzehntelangen Bürgerkrieg und ebnete dem Südsudan den Weg in die 2011 erlangte Unabhängigkeit. Doch das Abkommen wurde von einem schicksalsträchtigen Ereignis überschattet: Wenige Monate nach Unterzeichnung kam John Garang de Mabior, der Gründer und Führer der SPLM/A und wahrscheinlich weitsichtigste Freiheitskämpfer des Sudan, bei einem Flugzeugabsturz unter mysteriösen Umständen ums Leben. Kurz vor seinem Tod war Garang im Rahmen des Friedensabkommens zum Vizepräsidenten des Sudan ernannt worden. Man ging davon aus, dass er nach der voraussichtlichen Abspaltung des Südens vom Norden der erste Präsident eines unabhängigen Südsudan werden würde.

Garangs plötzlicher Tod – oder seine Ermordung? – so kurz nach der Unterzeichnung des Abkommens war ein schwerer Schlag für die Südsudanesen. Verschwörungstheorien machten die Runde: Einige behaupteten, dass Bashir-Regime habe Garang auf dem Gewissen, andere, sein Mörder sei Ugandas Präsident Yoweri Museveni, der die SPLM/A bislang unterstützte, jetzt aber vielleicht verstimmt war, weil Garang ihm über den Kopf zu wachsen drohte. Der Schock und die Wut über Zeitpunkt und Umstände des Absturzes, verbunden mit dem Verdacht, dass es kein «Unfall», sondern vorsätzlicher Mord des Anführers der Unabhängigkeitsbewegung war, lösten in Khartum gewaltsame Ausschreitungen von Südsudanesen aus.

Revival des sudanesischen Kinos

Goodbye Julia beginnt in einem Moment, in dem sich die Spannungen zwischen den südlichen und nördlichen Gruppierungen in der Hauptstadt verschärfen. Im Chaos der Garang-Unruhen wird Mona versehentlich am Mord eines Südsudanesen namens Santino (Paulino Victor Bol) mitschuldig. Der Mord wird von Monas Ehemann Akram (Nazar Gomaa) und seinen Freunden und Nachbarn vertuscht. Als Mittelklasse-Männer aus dem Nordsudan, die Teil eines korrupten und rassistischen Systems sind, können sie ihre Verbrechen leicht ungeschehen erscheinen und Santino, der von seiner jungen Witwe Julia vergeblich gesucht wird, aus den Akten «verschwinden» lassen.

Mona wird indessen von Schuldgefühlen geplagt. Sie macht Julia und ihren Sohn Daniel (anfangs Louis Daniel Ding, später Stephanos James Peter) ausfindig und lädt sie ein, bei ihr als Dienstmädchen einzuziehen. Julia, obdach- und mittellos, nimmt das Angebot an, ohne zu ahnen, dass Mona an Santinos Ermordung mitschuldig ist. Bald verschwimmen die Grenzen zwischen «Arbeitgeber» und «Arbeitnehmer», und die beiden Frauen entwickeln trotz Barrieren von Ethnie, Klasse und Religion (Julia ist Christin, Mona Muslimin) eine Freundschaft. Fünf Jahre vergehen, in denen Mona ihr Geheimnis für sich behält. 2010 kommt es zur Abstimmung über die Abspaltung des Südsudan. Die Ankunft von Majier (Ger Duany), einem charismatischen SPLM/A-Aktivisten, der zu Julias Verehrer wird, stört das Gleichgewicht, das Mona und Julia aufgebaut hatten.

Die beiden Hauptdarstellerinnen aus Mohamed Kordofanis Film *Goodbye Julia* treffen sich im Hof der Hausbesitzerin Mona, um gemeinsam ein traditionelles Rauchbad vorzubereiten.
Mona und Julia bereiten ein Rauchbad vor. / credit: trigon film

Der Film ruht auf den starken schauspielerischen Leistungen von Eiman Yousef und Siran Riak. Beide sind oft in Nahaufnahmen zu sehen. Sie laden uns ein, in verborgene Gedanken, Gefühle und Beweggründe einzutauchen, die vom Schweigen, das den Film prägt, und den Geheimhaltungen und Ausflüchten seiner Figuren ummantelt sind. Das Unausgesprochene ist in Goodbye Julia wichtiger als das, was gesagt wird. Dabei gewinnen die Interaktionen zwischen Mona und Julia sowie zwischen Mona und ihrem Ehemann Akram eine überzeugende innere Kohärenz. Es hätte dem Film allerdings nicht geschadet, mehr Zeit auf die Beziehung zwischen Julia und ihrem Sohn Daniel zu verwenden, denn das Kind besticht durch eine Präsenz, die es verdient hätte, stärker beleuchtet zu werden.

Der Film ist ein Markstein in der jüngsten Wiederbelebung des sudanesischen Kinos und wurde von dem Teil des sudanesischen Publikums, das ihn sehen konnte, sehr positiv aufgenommen. In den Jahren direkt nach der Unabhängigkeit von 1956 erfreute sich das einheimische wie das internationale Kino großer Beliebtheit, doch mit der Machtergreifung durch die islamistische Militärdiktatur unter Omar al-Bashir im Jahr 1989 änderte sich dies. Im Zuge seiner Kampagne gegen alles Kulturelle, das die ideologische Grundordnung des Staates bedrohte, machte das Regime das gesamte sudanesische Kino dicht.

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