Stoffwechselpolitik. Arbeit, Natur und die Zukunft des PlanetenSimon Schaupp
Suhrkamp März 202424 € 422 S.

In Kim de l’Horizons Theaterstück Hänsel & Greta & The Big Bad Witch beschreibt eine Hexe, die zu ihrer aktuellen Gestalt durch eine Metamorphose vom Schwanenküken zum Mistkäfer kam, den Zustand der Welt wie folgt: «Die Erde ist ein Kackkreis was die einen kacken fressen die anderen fressen die Dritten die wiederum werden von den Zähnigen gefressen und wieder rausgekackt und das fressen wieder die – also es geht eben so rundum und das ging lange auf – bis die Menschen den Kackkreis aufbrachen und Krasskacke auf einen viel zu kleinen Raum kackten oder eben ganz andere Materien zu kacken begannen Und der Verdauungsgang der Erde konnte das nicht aufnehmen das alles konnte nicht eingefoodet geordnet gekugelt werden von den Meinigen Erpülzelnden Zersetzlingen das brachte alles durcheinander.»

Der Gedanke, dass wir unsere Lebensform am besten als Metabolismus verstehen, als Teil eines «Verdauungsgangs», findet sich bereits bei Karl Marx. In seinen frühen Schriften wird menschliche Arbeit allgemein als «Stoffwechsel mit der Natur» bestimmt. Über Tausende Seiten hinweg analysierte er anschließend, was genau industrielle Lohnarbeit ausmacht: ihr Verhältnis zum sich an ihr bereichernden Kapital, ihre abstrakte zeitliche Bemessung, ihre ungeplante Aufteilung, ihre Entfremdung. Auf die Thematik des übergreifenden Austauschs mit der Natur kam Marx an nur wenigen Stellen zurück, die aber in letzter Zeit ein ungeheures Interesse bei denjenigen Marxisten (es sind meist Männer) erregt haben, die zeigen wollen, dass sich ihr Klassiker auch in der Klimakrise der Gegenwart bestens bewährt.

Der Grundgedanke der Marx’schen Ökologie betrifft im ganz wörtlichen Sinne den Bereich des Stoffwechsels. Menschliche Fäkalien waren vor Erfindung der chemischen Stickstoffsynthese ein entscheidendes Düngemittel. Ohne ausreichende Nitrat-Rückführung nahm die Bodenfruchtbarkeit stetig ab, wie Marx vom Agrarchemiker Justus Liebig lernte. Genau das geschah in Europa, wo infolge der massiven Urbanisierung die Ernte von den Feldern in die Städte geschafft wurde. Die Gegenbewegung blieb gänzlich aus. Während etwa in China eine ganze Klasse ausgebeuteter Arbeiter:innen die «Nachterde» einsammelte, verschwand das Ackergold in Preußen in den städtischen Kanalisationen. Marx diagnostiziert infolgedessen einen «unheilbaren Riß … in dem Zusammenhang des gesellschaftlichen und durch die Naturgesetze des Lebens vorgeschriebnen Stoffwechsels, infolge wovon die Bodenkraft verschleudert … wird.»

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