Weg ist er in der Tat, der Palast der Republik. Blown Away in der englischen Übersetzung des Ausstellungstitels, als wäre der Stahlbetonbau mit seinen großen Glasfassaden einfach weggepustet worden; als hätte er sich nicht erst vor 16 Jahren noch genau an diesem Ort befunden, an dem nun ein rekonstruiertes Hohenzollernschloss steht, das die Ausstellung Hin und Weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart beherbergt.
«Gegenwart», so die Macher der Ausstellung, sei der Palast gerade in der Erinnerung. Erinnerungen an seinen Bau, seine Nutzung, seine Bedeutung und seinen Abriss stehen im Zentrum von Hin und Weg. «Endlich Weg» wäre für manche der passendere Titel gewesen; «blown up», nicht «blown away». Nachdem ein kleiner Kreis von Initiatoren, Politikern und Investoren jahrelang intensive Lobbyarbeit betrieben hatte, die schon 1993/94 in einer 15-monatigen «Schlosssimulation» am Palast der Republik einen frühen Höhepunkt gefunden hatte, beschloss der Bundestag 2002 den Abriss des Palasts, der nur 14 Jahre lang in Betrieb gewesen war und seit 1990 leer gestanden hatte.
Die leere Mitte
Mit dem Abriss folgte man der Empfehlung der Expertenkommission Historische Mitte Berlin, deren nicht ganz neutraler Name Programm war: Ziel der Rekonstruktion sollte die Wiederbelebung der vermeintlich «leeren Mitte» Berlins im verputzten Glanz barocker Fassaden sein. Dabei ging es nicht nur um die nach der Wende wiedererlangte geografische Stadtmitte: Die Mitte Berlins symbolisierte gleichfalls die Mitte und das Herz der wiedervereinten Nation. «Die Welt blickt auf das, was wir hier in der Mitte unserer Hauptstadt tun», sagte Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und unterstrich damit den Anspruch des sendungsbewussten neuen Deutschlands an diesem Ort. Die Rekonstruktion und dessen Nutzung sei eine «großartige Geste Deutschlands, die ihre Wirkung in der Welt nicht verfehlen wird» und das Potential habe, «den Blick der Welt auf unser Land und auch unser Land selbst zu verändern».
In die Kulisse des rekonstruierten Schlosses sollte mit dem Humboldt Forum «ein modernes Museums-, Wissens- und Begegnungszentrum» Einzug halten, ein «Zentrum des Dialogs zwischen den Kulturen und der Wissenschaft» – ein Zentrum, für das man aber erstmal Platz schaffen musste. Der Palast der Republik, ehemals Kulturpalast und Sitz der Volkskammer der DDR, stand dabei buchstäblich im Weg. Nach heftigen Diskussionen, Denkschriften, Debatten und zwei Bundestagsbeschlüssen wurde der asbestsanierte, vollständig entkernte Makel aus Beton, Stahl und Glas 2008 schließlich abgerissen.
Des Kaisers neue Kleider
Museen, und seien sie noch gläsern, sind keine transparenten Medien, die Objekte neutral und in einem machtfreien Raum präsentieren. Sie sind strukturierte, rituelle Räume, mehr noch: ideologisch aktive Umfelder. Während die Befürworter der Schlossrekonstruktion im deutschen Nachwende-Diskurs zunehmend Zustimmung fanden, dekonstruierten eine Reihe akademischer Arbeiten die Rolle von Museen als hegemoniale Orte staatlicher Machtausübung. Der Soziologe Tony Bennett beispielsweise hatte schon 1988 argumentiert, Museen, meist im Zentrum der Stadt gelegen, verkörperten dort sowohl materiell als auch symbolisch eine Macht des «Zeigens und Erzählens». Hineingesetzt in die Mitte des öffentlichen Raums – ganz so wie das Schloss und mit ihm sein Humboldt Forum in die «neue» historische Mitte Berlins – ist es Ort einer symbolischen Transaktion zwischen Öffentlichkeit und Staat. Wo einst Könige ihren Geschmack, Reichtum und Tugend der Öffentlichkeit präsentierten, ist es nun die abstrakte Einheit des Staats, die sich im öffentlichen Museum manifestiert, (re)präsentiert und bestimmte Subjektivitäten (einst Untergebene, heute freie Bürger:innen) anspricht, formt und organisiert. Das Museum als «Stätte für Wissens-/Machtbeziehungen» produziert immer auch sein eigenes Publikum; eine Öffentlichkeit, «die nicht nur regierbar ist, sondern ihrer Regierung auch freiwillig zustimmt».1
Der Übergang einer königlichen Sammlung zu einem staatlichen Museum hat auf dem Berliner Schlossplatz mehrfach und in unterschiedlichen Kontexten stattgefunden. Mit der Wiedererrichtung des vorrevolutionären, preußischen Schlosses und dem Einzug der außereuropäischen Sammlungen (die fast ausschließlich aus der Kolonialzeit stammen) ist seit 2021 eine neue Zeitrechnung angebrochen, die auch die Analysemethoden der New Museology in den 1980er und 1990er Jahren nicht vorhersehen konnten: Der demokratische Staat präsentiert sich seiner Bevölkerung im königlichen Mantel. Damit ist die Rolle der Besucher:innen des Humboldt Forums und die Identität des Gastgebers in der Mitte Berlins konfuser denn je. Dass dieses Forum weder Transparenz noch Neutralität vorgeben kann, gilt insbesondere für eine Ausstellung, die es seinem Vorgängerbau widmet.
Ausverkauf statt Aufbauwille
Der erste Raum der Ausstellung Hin und Weg ist mit glänzendem Kupferpapier ausgestaltet – eine ästhetische Anspielung auf die einst farbigen Glasfassaden des Palastes. «Die Kontroverse, ob der Palast erhalten oder die Fassade des Berliner Schlosses rekonstruiert werden sollte, steckt dem Humboldt Forum in den Knochen», heißt es im Einführungstext. «Wo, wenn nicht hier, ist der Ort, um zurückzuschauen und Fragen zu stellen?» Die Ausstellung fragt als erstes nach den Überbleibseln des Palasts. Nicht in der öffentlichen Wahrnehmung oder dem politischen Diskurs, sondern ganz konkret: Wo ist er geblieben? Wo ist die Inneneinrichtung, sind die Bodenbeläge und die Kunst am Bau gelandet, nachdem der Palast der Republik am 3. Oktober 1990 in den Besitz der Bunderepublik überging und ausgeräumt wurde? Am Raumeingang begegnet man Teilen der Gläsernen Blume, einer ikonischen Glasplastik aus dem Jahr 1976, die einst auch die Besucher:innen im Foyer des Palasts begrüßte. Die Reste der fünf Tonnen schweren Blume aus Stahl und Glas liegen unausgepackt in Depotkisten, daneben stehen Kartons mit Porzellan-Tellern und Tassen samt PdR-Insignien in einer Glasvitrine, dahinter ein Rollwagen mit zusammengefalteten Flaggen ehemaliger sozialistischer Länder. Der Palast wird durch seine Materialien, seine Einzelteile rekonstruiert, deren Verbleib ein Provenienz-Diagramm ansatzweise illustrieren soll. Die Geschichte des PdR beginnt hier mit seinem Ausverkauf.
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